1 October 2014, Andreas Falentin, Deutsche Bühne
Portrait (de)

Die Opulenz der Reduktion

In seinen drei Spielzeiten hat Heiner Goebbels die Ruhrtriennale
aufseine ganz eigene Weise neu definiert als eine wirkliche Alternative
zum Programm der umliegenden Theater

"Die Ruhrtriennale hat sich verändert. Kein Hochglanztheater im Industriehallen-Gewand mehr, keine Spitzenprodukte einzelner Genres mit - fast - ausschließlich großen Namen. Heiner Goebbels bot, auch als Verbeugung vor den Theatern der Region, in drei Jahren nicht eine einzige textzentrierte Sprechtheaterpremierc an. Die einzige Oper im engeren Sinne war Orffs „Prometheus“ im ersten Jahr, damals mit aggressiver Statik von Lemi Ponifasio rituell zugerichtet; und im Tanz bildet die jedes Jahr eingeladene Avantgarde-Choreographin Anne Teresa de Keersmaekcr fast schon eine Speerspitze des Konventionellen. „Ich muss etwas zeigen, was die Region sonst nie sehen kann“, sagte Goebbels 2012, zu Anfang seiner Ruhrtriennale- Intendanz, im Ddß-Interview. Und schuf ein fröhlichernsthaftes Avantgarde-Labor, in dem sich die schönen Künste immer intensiver aufeinander zubewegen. Da kann fast jedes Projekt die Bezeichnung „Kreation“ beanspruchen, die Gerard Mortier, der Gründungsintendant der Triennale, für seine wenigen, damals als extrem gewagt geltenden interdisziplinären Projekte prägte. Vieles ist Suche. Suche nach offenen, aber nie beliebigen Zumutungen der darstellenden Kunst, die Raum bieten sollen für die Wahrnehmungen des Zuschauers, teilweise in extremster Form, als Theater ohne Menschen. Wie Goebbels’ im letzten Jahr gastierender Welterfolg „Stifters Dinge“, wie aktuell Romeo Castelluccis „Sacre du Printemps“."..... ...."Heiner Goebbels hat die Ruhrtriennale verändert. Er hat sie geöffnet zu Film- und bildender Kunst und gleichzeitig das Primat der Musik festgeschrieben, diese aber vom klassischen Kanon gelöst, durch Wiederentdeckungen, aber auch durch Konzerte mit Chor-, Orchester- und vor allem mit Kammermusik. Er hat sich neue Vermittlungsformate einfallen lassen wie die C-hildren’s Choice Awards, vergeben von einer Jury von Schulkindern, das Duo-Gesprächsformat tumbletalks oder die freitagsküche, wo Künstler und Publikum, im Idealfall, zwanglos kulinarisch Zusammenkommen. Vor allem aber hat er die riesigen Industrieanlagen in Bochum, Essen und Duisburg belebt wie kein Intendant vor ihm, mit verschiedensten Spielformen von - oft wunderbar einfachen - Installationen."