Die Opulenz der Reduktion
In seinen drei Spielzeiten hat Heiner Goebbels die Ruhrtriennale
aufseine ganz eigene Weise neu definiert als eine wirkliche Alternative
zum Programm der umliegenden Theater
"Die Ruhrtriennale hat sich verändert. Kein Hochglanztheater
im Industriehallen-Gewand mehr, keine Spitzenprodukte einzelner
Genres mit - fast - ausschließlich großen Namen. Heiner
Goebbels bot, auch als Verbeugung vor den Theatern der Region,
in drei Jahren nicht eine einzige textzentrierte Sprechtheaterpremierc
an. Die einzige Oper im engeren Sinne war
Orffs „Prometheus“ im ersten Jahr, damals mit aggressiver Statik
von Lemi Ponifasio rituell zugerichtet; und im Tanz bildet
die jedes Jahr eingeladene Avantgarde-Choreographin Anne
Teresa de Keersmaekcr fast schon eine Speerspitze des Konventionellen.
„Ich muss etwas zeigen, was die Region sonst nie
sehen kann“, sagte Goebbels 2012, zu Anfang seiner Ruhrtriennale-
Intendanz, im Ddß-Interview. Und schuf ein fröhlichernsthaftes
Avantgarde-Labor, in dem sich die schönen Künste
immer intensiver aufeinander zubewegen. Da kann fast jedes
Projekt die Bezeichnung „Kreation“ beanspruchen, die Gerard
Mortier, der Gründungsintendant der Triennale, für seine wenigen,
damals als extrem gewagt geltenden interdisziplinären
Projekte prägte.
Vieles ist Suche. Suche nach offenen, aber nie beliebigen Zumutungen
der darstellenden Kunst, die Raum bieten sollen für die
Wahrnehmungen des Zuschauers, teilweise in extremster Form,
als Theater ohne Menschen. Wie Goebbels’ im letzten Jahr gastierender
Welterfolg „Stifters Dinge“, wie aktuell Romeo Castelluccis
„Sacre du Printemps“.".....
...."Heiner Goebbels hat die Ruhrtriennale verändert. Er hat sie
geöffnet zu Film- und bildender Kunst und gleichzeitig das Primat
der Musik festgeschrieben, diese aber vom klassischen Kanon
gelöst, durch Wiederentdeckungen, aber auch durch Konzerte
mit Chor-, Orchester- und vor allem mit Kammermusik.
Er hat sich neue Vermittlungsformate einfallen lassen wie die
C-hildren’s Choice Awards, vergeben von einer Jury von Schulkindern,
das Duo-Gesprächsformat tumbletalks oder die freitagsküche,
wo Künstler und Publikum, im Idealfall, zwanglos kulinarisch
Zusammenkommen. Vor allem aber hat er die riesigen
Industrieanlagen in Bochum, Essen und Duisburg belebt wie
kein Intendant vor ihm, mit verschiedensten Spielformen
von - oft wunderbar einfachen - Installationen."
Andreas Falentin
Deutsche Bühne (DE), 1 October 2014