31 July 2002, Frank Olbert, Frankfurter Allgemeine Zeitung
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Mr. Sample

Prometheisch: Wie der SWR Heiner Goebbels ehrt

Der Sampler ist kein Instrument. Er ist ein Speichermedium, das Stimmen, Klänge, andere Instrumente in sich aufbewahrt und nach Belieben reproduziert. Als eine Art Gedächtnis der akustischen Welt ist der Sampler ein Medium der Erinnerung einer Rückbesinnung freilich, die variiert, manipuliert, vielfältig verändert werden kann, und insofern ist es kein Wunder, daß der Sampler zum bevorzugten Handwerkszeug des Komponisten Heiner Goebbels avancierte: Alles, was der in Frankfurt am Main lebende Künstler an Hörspielen, Musiktheater, Performance oder Klanginstallation realisierte, speist sich aus der Erinnerung, der er gleichwohl einen völlig eigenen Ton zu geben vermag. Schon sein frühes Hörspiel, das mit dem Preis der Kriegsblinden ausgezeichnete Stück "Die Befreiung des Prometheus", öffnete den Raum zwischen Tradition und Erneuerung. Goebbels griff nach Texten Heiner Müllers auf uralte Erzählformen zurück. Zugleich zog er das Stück mit den Mitteln Neuer Musik und des Pop in die Gegenwart. Das Ergebnis ist eine Komposition, die in beeindruckender Weise vorgegebenes Material mit einer eigenständigen Sprache aufnimmt.
Am 17. August feiert Heiner Goebbels seinen 50. Geburtstag. Derjenige Sender, mit dem er unter der Dramaturgie von Hans Burkhard Schlichting die Mehrzahl seiner Radioarbeiten realisierte, widmet ihm aus diesem Anlaß eine Reihe: "Heiner-Goebbels-Material" nennt der Südwestrundfunk diesen Programm-Schwerpunkt , mit dem er einen Mann ehrt, der nichts weniger als eine Zeitenwende in der Radiokunst herbeigeführt hat.
Wie sorgsam er Sprache, Geräusche und Musik arrangiert, demonstriert die Auftakt-sendung "Arbeitsgeräusche". Zugrunde liegt diesem Beitrag ein Vortrag Goebbels', in dem er sein eigenes Werk durchreist: An-hand etlicher Tonbeispiele demonstriert er die Anknüpfungspunkte zwischen Sprache und Musik in Hörspielen wie "Wolokolams-ker Chaussee", "Shadow" nach Texten von Edgar Allan Poe oder "Die Wiederholung" nach einem Essay von Kierkegaard. Goeb-bels erläutert seine kompositorischen Prinzipien, sein Interesse an sprachlichen Struk-turen, auf denen seine musikalischen Ideen gründen. Die Sendung gibt Einblick in das Denken des Komponisten und macht zugleich neugierig auf den Fortgang der Hommage an einen Künstler, der solche Ehrung fürwahr verdient.