2002, Cornelia Jentzsch
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Max Black oder die Furie des Denkens

Musiktheater als philosophische, sprachliche Instanz? - Zur medialen Arbeit von Heiner Goebbels

Max Black? Sie kennen ihn nicht? Immerhin steckt er in gut zwanzig Prozent Ihres Computers, wenn man so will. 1937 verfaßte der aus Rußland stammende amerikanische Philosoph Max Black in einer kleinen Zeitschrift einen dann mehr als dreißig Jahre lang unbeachtet gebliebenen Aufsatz, in welchem er die Grundlagen für die heute weltweit angewandte Fuzzy-Logik legte. Er führte den Begriff der Vagheit in die Mathematik ein und beschleunigte damit jene wissenschaftlichen Vorgänge und Theorien, die der immer komplexer und unüberschaubarer werdenden Realität beizukommen versuchen. Jeder Computer arbeitet inzwischen zu ungefähr zwanzig Prozent auf der Grundlage der Fuzzy-Logik, ebenso wie Waschmaschinen damit geräuschärmer und energiesparender schleudern und Einspritzdüsen in Motoren Benzin sparsamer verteilen, um nur einen winzigen Bruchteil ihrer Anwendung anzudeuten. Der wissenschaftliche Zweig der Fuzzy-Logik beruht auf dem Vagen oder "Verschwommenen, Unscharfen" wie fuzzy wortwörtlich übersetzt heißt, und sie setzt für mathematische Berechnungen nicht nur auf Zahlen basierende Meßdaten ein, sondern auch semantischen Begriffe wie "ziemlich", "annähernd" oder "sehr", die in der Summe aber unerwarteterweise ein genaueres Erfassen hochkomplexer Vorgänge ermöglichen als es bis dahin Ziffern und Formeln konnten. Der unstete Vagabund Sprache wurde somit in die sittenstrenge Gesellschaft Mathematik als gleichberechtigtes Mitglied aufgenommen. Lofti Zadeh, der 1965 Blacks Aufsatz entdeckte und als Grundlage für weitere Forschungen nahm, hatte der Vagheit, dem Ungenauen durch einen kleinen begrifflichen Trick endgültig den Weg geebnet, er formulierte sie schließlich als mathematische Größe, als "linguistische Variable", die unscharfe Ausdrücke in numerische Werte verwandeln kann. Nicht nur die Wissenschaften werden zunehmend damit konfrontiert, daß keinesfalls die raffiniertesten Meßinstrumente und -methoden zur exakten Erkundung der Welt beitragen, sondern daß das Unsichere und Vage als aushaltbare wie vor allem aussagekräftige Größe angenommen werden muß. Die Tendenz deutete sich schon lange und nicht nur in der Wissenschaft an: je näher man sich mit der Realität befaßt, desto ungenauer, mehrschichtiger, undurchsichtiger wird ihre Wahrnehmung. Nach dem Einbruch des Chaos in die Wissenschaft besitzt dieses mittlerweile eine gefestigte Theorie.
"Max Black" ist, um noch einmal auf die Ausgangsfrage zurückzukommen, gleichfalls der Titel eines inzwischen mehr als fünfzig Mal aufgeführten Musiktheaterstückes des Komponisten Heiner Goebbels, das sich weniger an die Biografie des Philosophen anlehnt, als man dem Titel nach vermuten möchte. Es ist eher ein zeitloses Stück, ein musikalisch-sprachlich-pyrotechnisch eingeschobener Kommentar in die Zeitläufe, in dem es nicht um faßbare und in eine biographische oder dramatische Form gegossene Ergebnisse geht, sondern um das Andeuten von Ausgangsparametern und Bedingungen, die solche menschliche Leistungen wie die eben beschriebenen erst möglich machen. Dieses Musiktheater dreht sich genaugenommen um die Furie des Denkens, die den Menschen umtreibt und ihn als solchen, als kreatives Wesen definiert. Ein bei erster Betrachtung reichlich bühnensperriger Stoff, weil er abstrakt und theorieanfällig scheint. Musiktheater jetzt auch als philosophische, sprachliche Instanz? Vielleicht. Jedenfalls bietet es genügend Stoff zum Nachdenken auch über eine aktuelle Aufführung hinaus.
Das Theaterlaboratorium arbeitet mit verschiedenen Textpassagen aus den Werken von Max Black, Paul Valéry, Ludwig Wittgenstein und Georg Christoph Lichtenberg, die ineinendergreifen. Auch hier, analog zur Wissenschaft, der Gang ins Offene, in die Vagheit geäußerter Sprachfragmente.
"Mich interessieren Texte, die eine eigene Wirklichkeit, eine literarische Selbständigkeit haben", begründet Heiner Goebbels die Auswahl, "die weder für eine Bühnenrealität geschrieben sind, noch sich eigentlich auf der Bühne darstellen lassen, die ich aber für einen Performancezusammenhang entdecken, denen ich eine eigene Bildwelt entgegenhalten kann."
Die Textgeber gehören zu jenen Menschen, die quer zu festgelegten Kategorien ihre Spuren zogen und sich nicht auf eine einzige Disziplin festlegen ließen. "Ich werde belächelt. Sie sind kein Dichter, sie sind kein Philosoph, Sie sind weder Geometer noch sonst etwas. Sie betreiben nichts gründlich. Mit welchem Recht sprechen sie von dieser Sache, da sie sich ihr nicht mit Ausschließlichkeit widmen? Ach ja, - ich bin wie das Auge, welches sieht, was es sieht. Es braucht sich nur ein klein wenig zu bewegen, und die Mauer verwandelt sich in eine Wolke; die Wolke in eine Uhr; die Uhr in Buchstaben, die sprechen. - Vielleicht ist das meine Spezialität." Der Philosoph Black veröffentlichte nicht nur Publikationen wie "Gefährte von Wittgensteins Tractatus", "Labyrinth der Sprache" oder "Dominanz des Humbugs und andere Essays", sondern er schrieb gleichzeitig auch zur "Natur der Mathematik". Wittgensteins "Tractatus logico-philosophicus" arbeitet auf einem logischen Beweissystem, das dem der Mathematik adäquat ist. Valéry faßte 1892, in einer Krise und im Zwiespalt zwischen Poesie und Wissenschaft, den Entschluß, sich zumindest die nächsten Jahre von der Dichtung fernzuhalten und wand sich den Theorien von Maxwell und Lord Kelvin über den Elektromagnetismus und der Konstitution der Materie zu. Lichtenberg notierte in seine Sudelbücher Gedanken und Aphorismen zu Philosophie, Literatur, Moral, Ethik, Naturwissenschaften, Alltag und so fort. Max Black steht insofern nur als Figur für einen wissenschaftlichen Quer- oder Andersdenker, herausgelöst aus jeglicher nachprüfbarer Biografie und in das Wagnis (die Vagheit, also auch die Offenheit des Möglichen) einer Kreuzfahrt quer durch vier verschiedene Typografien geschickt.
Auch hier, bei Goebbels, also der Einbruch der Fuzzy-Logik in fixe Dömänen, es gibt für das Stück kein dialogisches Drehbuch mit eineindeutiger Handlung, kein hintermalendes Bühnenbild, Sprache wird nicht nur als abstraktes Transportmittel benutzt und Musik und Licht nicht ausschließlich als sinnliche Komponente. Das Stück arbeitet in der Verschränkung des einen mit dem anderen, läßt viele Zwischenräume, die offen genug bleiben für assoziative Mehrfachbrechungen. "Natürlich habe ich eine große Affinität zu dieser Art von Denken", sagt Goebbels, weil dieses "Gehen quer durch die Disziplinen auch für das Theater interessant ist. Ich wechsele die Hierarchien zwischen den verschiedenen auf der Bühne existierenden Mitteln, einmal ist das Licht am wichtigsten, dann der Klang, dann wiederum der Text oder die Bewegung. Dazu paßt, daß Max Black eigentlich vom Zuschauer real nicht zu fassen ist, weil viele ihn nicht kennen."
Auf die Selbstbefragung, was er den ganzen Tag lang tue, antwortete Valéry: "Ich erfinde mich". Dieser Satz enthält genaugenommen Fazit wie Ausgangsposition nicht nur des Musiktheaterstückes, sondern des ganzen Weltspektakels seit der Erfindung des Menschen. Die nicht ganz unironische und dem Stück als Motto beigegebene Äußerung entstammt den "Cahiers". In diese "Hefte" schrieb Valery einundfünfzig Jahre lang jeden Morgen exakt zwischen fünf und acht Uhr Beobachtungen und Gedanken, die inmitten von Sprache, Literatur, Kunst, Philosophie, Psychologie, Geschichte, Medizin, Politik oder Naturwissenschaften unendliche Leuchtfeuer setzen. Der Schatten, der unter dem Satz des Sicherfindens liegt, ist jene vitale Obsession des Geistes, die man fast schon Besessenheit nennen kann, die den Menschen erst als solchen definiert, treibt, befähigt. "Ein Stuhl denkt nicht ist nicht vergleichbar einer Aussage wie ein Stuhl wächst nicht, ... hier gibt es offenbar einen graduellen Übergang zum Fall des Menschen.", sagt Wittgenstein als Max Black, Inkarnation des vierfachen Textgemisches. Und etwas später fährt Black in Wittgensteins Stimmlage fort: "Könnte ein Vogel genau sagen, was er singt, warum er singt, warum er das singt und was in ihm singt, so würde er nicht singen". Des Menschen Achillesferse ist nur, er kann beides, singen und sagen, denn er wurde in einem göttlichen Einfall von Wahnsinn mit Sprache geschlagen. Diese schaukelt das Denken, wie jenes wiederum postwendend die lauthalse Sprache konstituiert. In jedem Wort, jedem Satzpartikel tönt dabei gleichzeitig die Archaik des Sprach- und Denkvorganges mit, der auf einer Bühne sichtbar gemacht werden kann. "Ich glaube", so Goebbels, "daß in der Sprache, also ihrer Syntax wie ihrem Klang, jeder Text schon eine eigene Realität besitzt. Auf der Bühne muß ich nicht verdoppeln, was aus ihr bereits tönt und semantisch spricht. Text in einer fremden, unverständlichen Sprache lasse ich auf der Bühne stehen, darin drücken sich Materialien aus." Das Vage, Unausgesprochene, nicht zuende Geäußerte oder in einer fremden Artikulation Gesagte spielt dabei eine merkwürdig transportable, gehaltvolle Rolle. "Mit zunehmender Annäherung an das Reale verliert man das Wort", meint Valéry in seinen Notizen. Die genaueste Beschreibung einer Tatsache, eines Dinges speist sich oft aus den obskuren Dunkelzonen, von diesem Wissen lebt unter anderem die Poesie. Es kam Goebbels, als er die Zitate der verschiedenen Textautoren zueinander montierte, nicht auf das Aufzählen von unterschiedlichen Sichtweisen einer jeweils homogenen Figur an. Vielmehr wollte er alle Vier zu einer in sich widersprüchlichen, heterogenen Figur verschmelzen und eine Plausibilität gegenüber dem Darsteller der Rolle begründen. Die Ausdifferenzierung, wenn schon, geschieht auf einer anderen Ebene. Nämlich indem der Schauspieler André Wilms die drei Buchstaben C, E und M an die Kulisse heftet: corps, esprit, monde. Aus dieser Ursuppe - bestehend aus dem Körper, der auch Stoff, Element und Substanz bedeutet, dem Geist, welcher ebenfalls Verstand, göttliche Kraft, Einbildungskraft und Antrieb beinhaltet, und der Welt, die gleichzeitig Synonym für Weltall, Menschheit und Gesellschaft ist - erhebt sich nicht Venus, die Schaumgeborene, sondern die Figur des Denkers Max Black. Vage erinnern diese drei Buchstaben an wissenschaftliche Formeln, zum einen an Einsteins berühmtes e=mxc², zum anderen an REM, rapid eyes movement, die schnellen Augenbewegungen, die die Tiefschlafphase des menschlichen Traumes bezeichnen. Zwei gegensätzliche Pole des Denkens werden kurz eingeblendet, einerseits die klare analytische Rationalität und andererseits die dunkle, unbewußte Intuition.
"Vagheit finde ich im Theatervorgang unglaublich stimulierend und anregend. Mich interessiert nicht, wenn alles vorhersehbar ist. Valéry würde mir zustimmen, er schrieb in den �Cahiers', er verabscheue vorhersehbare Dinge, die Musik nähme ihm seinen eigenen Spielraum weg, da er nur noch hinterherhören könne. Gedanken, die man später im Nouveau Roman wiederfindet oder in musikalischen Ansätzen der zeitgenössischen Kunst." Übrigens war es Leonard Bernstein, der sagte: "Die Intuition ist die Intelligenz, die eine Geschwindigkeitsübertretung begeht.
Während Wittgenstein und Black vor allem die Fähigkeit der Logik benutzen, die Wirklichkeit neu zu strukturieren, ironisiert Valéry oftmals den gesamten Vorgang und Lichtenberg baut inzwischen in einer Art Gedankenarabeske zweiundsechzig verschiedene Arten, das menschliche Gesicht mit dem Ellenbogen und einer Hand zu unterstützen, auf. Nicht die Dinge bewegen sich, sondern sie werden mit dem Kopf verrückt, in die Ferne gestellt, neu betrachtet. "Wie beurteilt einer, welches seine rechte und welches seine linke Hand ist?", diese Frage äußert einer, welcher außer mit den Augen auch mit dem Hirn arbeitet, der also mehr wahrnimmt als er sieht. Denn allein schon Rechts und Links sind keine naturgegebenen Konstanten, sondern "linguistische Variablen" eines die Umwelt vermessenden Individuums, das die Koordinaten für seine folgenden Bewegungen festlegen möchte. "Muß ich nicht irgendwo anfangen zu trauen?", heißt es am Ende des Zitates mit der Hand. Fuzzy-Logik, denn auch das Trauen ist eine schwer in Ziffern meßbare Größe. Das Denken formt den menschlichen Körper, setzt ihn in Bewegung. Nicht ganz abwegig drängt sich die Idee auf, daß es auch ein Ersatz sein könnte für die mangelnde Naturausstattung des Menschen, ein Defektausgleich, eine Reparaturleistung. Die Schwalben, die Valery beobachtete, ihre eleganten Bewegungen und die rasche Geschwindigkeit ihres Fluges ließen ihn bis zur Raserei auf dieses Können neidisch werden und dennoch oder gerade deshalb sah er im Vogelflug ein Bild, das "den fabulösen Eigenschaften des Geistes wohl am nächsten" kommt. In der geschlossenen Einheit von Empfindlichkeit, Apparatur und Millieu des Vogelflugs aber ist für das Denken kein Platz mehr, es würde diese filigrane Ausgewogenheit stören, den Vogel vermutlich zum Absturz bringen. Denn es ist, so schließt Valéry seine Beobachtungen, eine gegen das Unvorhergesehene des Systems selbst gerichtete Fähigkeit, ein Instrument für das Wahrscheinliche. Aber was macht der Logos? Einmal in die Welt gesetzt und an den Menschen gebracht, überholt er schon aus reinem Egoismus und Selbsterhaltungstrieb dessen Körper, er kann sich schneller als dieser bewegen und ihn gegebenenfalls als Ballast zurücklassen. "Das Körperliche beim Schreibvorgang ist mir unerträglich", sagt der Protagonist des Stücks. "Kommt das Wort endlich aus der Feder, ist der Gedanke längst verändert oder verworfen." Aber wem würde es auch nützen, was würde es bringen, einen bereits gedachten Gegenstand in der Wirklichkeit zu wiederholen, "schließlich habe ich ihn in meiner Vorstellung doch bereits entworfen", also in die Welt gesetzt? Die sichtbare, körperliche Gebärde reduziert sich auf die unsichtbare, geistige; anstatt mit den Beinen zu laufen, wird im Kopf der logische Schritt ausgeführt. Das ist der zweite Gang menschlicher Fortbewegung. Bleibt aber immerhin noch, die Wiederholung als Erinnerung zu fassen, wie es Kierkegaard in Anlehnung an die Griechen formulierte, beide als eine einzige, nur in verschiedene Richtung ablaufende Bewegung. Aber das Denken ist trotzdem auch ein körperlicher Vorgang in seinem rhythmischen, pulsierenden Ablauf. Mit seinem Hin und Her, Vor und Zurück, Ein- und Ausdenken ist es dem körperlichen Ein- und Ausatmen sehr ähnlich. Insofern spiegelt sich dieser Vorgang auch in einer pulsierenden Stimme, ihren wechselnden Tonhöhen und ihren subversiven Klängen wider, von denen der Komponist sprach und die er für seine Stücke rhythmisierend wiederum nutzt. Dieses Atmen im Körper wie im Denken fand bereits von Anfang an seinen Spiegel im Schriftbild der Sprache. Der italienische Philosoph Giorgio Agamben bemerkte zum Beispiel in seinem aktuellen Essay "Die absolute Immanenz", erschienen im Merve Verlag, daß der Einsatz von Interpunktionen im Schriftbild nicht nur die Semantik eines Satzes regelt, sondern vor allem von einer "unverbrüchlichen Beziehung zur Atmung" getrieben wird, die "notwendigerweise eine Unterbrechung des Sinns bewirkt. Das Kolon (Doppelpunkt)', so kann man in der Grammatik des Dionysios Thrax nachlesen, zeigt an, wo man atmen soll'." Der Kreis zur Bühne, zum Körper im Raum, zur Gebärde des Schauspielers, zum Sprechen schließt sich.
Wittgenstein verglich das Phänomen des Denkens mit dem des Brennens, der Flamme. Beide ein Rätsel, aber warum "mehr als der Tisch?... Und wie soll nun das Rätsel des Denkens aufgelöst werden? - Wie das der Flamme?" Der sichtbare Widerschein dieser Frage auf dem Bühnenäußeren liegt auf der Hand, er leuchtet regelrecht. Kleine Flammen wandern zwischen den Gegenständen auf der Bühne, zwischen Tisch, Espressomaschine, Plattenspieler, Klavier, Fahrrad, Aquarium, Truhe und dem zwischen seinen Denkutensilien hantierenden Max Black hin und her. Gedankenblitze, bläuliche Irrlichter, Schlaglichter, grelle Einfälle und aufsteigende Rauchringe, schön wie vollendete mathematische Formeln.
Obwohl der ursprüngliche Hintergrund für den Einsatz von Pyrotechnik zunächst ein anderer war. Goebbels plante das Stück gänzlich ohne Licht, nur mit Feuer, und wollte damit das Theater herausfordern. Aber er mußte leider bald bemerken, daß das Feuer im Grunde kein Licht abgibt, sondern ausschließlich sich selbst beleuchtet. "Es ist auch zu schnell für das Theater. Der Pyrotechniker wurde um genau drei unmögliche Dinge gebeten: langsam zu sein, nicht zu qualmen und noch auf deutschen Theaterbühnen erlaubt zu werden." In eigentlich erst zweiter Linie stand, daß es neben der Äußerung von Wittgenstein sehr viele Texte gibt, die den Zusammenhang zwischen Kreativität, Denken und Feuer herstellen wie beispielsweise die "Psychoanalyse eines Feuers" des französischen Philosophen Gaston Bachelard. Aber natürlich ist es letztere Verbindung, die sich in der Rezeption sofort aufdrängt, da sie bereits in der Sprache verankert ist. Man spricht von, siehe oben, eben Gedankenblitzen, erhellenden Einfällen, Erleuchtung, lichten Momenten, dem Feuer des Geistes und was der Vergleiche mehr sind. Es liegt in der menschlichen Bestimmung, so steht es in den wahrlich unerschöpflichen "Cahiers", daß man stets einen Ausdruck durch die Sprache erwartet, selbst bei den unmittelbarsten, evidentsten (und auch hier vermerkt der Duden die Erklärung: einleuchtend, augenscheinlich) in Augenreichweite liegenden Sachverhalten. Das innere Brennen beginnt im Geschöpf, sobald der Geist an den Stromkreis Welt angeschlossen ist. Ernst Bloch ermunterte mit dem Satz, daß Denken nichts weiter als Überschreiten heißt. Theatermachen vermutlich auch.
"Ich möchte den Texten einen Raum schaffen und sie nicht reduzieren, indem ich ihren Spielraum verringere", sagt Goebbels, "ich will sie öffnen, damit man ihre anderen, auf tieferen Ebenen schlummernden oder lauernden Wahrheiten wahrnimmt. Auch wenn man sich diesen vielleicht erst beim dritten oder vierten Hören nähern kann. Diese Wahrheiten will ich transparent machen."

in: Heiner Goebbels: Komposition als Inszenierung. Hrsg. von Wolfgang Sandner. Berlin: Henschel, 2002.
on: Max Black (Music Theatre)