26 July 2003, Thorsten vom Felde
Interview (de)

Über die künstlerische Praxis

Wie ist die Gewichtung zwischen kreativer Arbeit und Theorieseminaren im Studiengang Angewandte Theaterwissenschaft?

Abgesehen von den vorgeschriebenen Voraussetzungen der Studienordnung setzt setzt der Studierende die Gewichtung im Prinzip selbst. Es gibt natürlich Studierende die von den künstlerisch-praktischen Angeboten weniger Gebrauch machen und es gibt Studierende, die davon sehr viel Gebrauch machen. Das theoretische Minimum, das die Studierenden schon über die Bausteinfächer Anglistik, Germanistik, Romanistik, Kunstgeschichte, Musikwissenschaften usw. und mit den theaterwissenschaftlichen Seminaren zu bewältigen haben, ist ohnehin schon relativ hoch. Wenn man tatsächlich von den künstlerisch-praktischen Angeboten den optimalen Gebrauch macht, kann man möglicherweise nicht in der Regelstudienzeit fertig werden.
Es ist eine deutliche Erfahrung: je kreativer die Studierenden sind, je künstlerischer sie an einer eigenen Praxis interessiert sind, desto länger studieren sie hier. Durch das Prinzip der programmatischen Offenheit - weil die Studierenden ja auch nicht mit einem gerichteten Interesse ankommen, sondern bei Studienbeginn noch sehr unspezifisch sind - bietet hier sehr viele Möglichkeiten. Man kann sich z. B. nächtelang, wochenlang im Tonstudio einschließen und Hörspiele machen. Es gibt viele, auch preisgekrönte Hörspiele, die auch in Rundfunkanstalten laufen, die hier entstanden sind. Von Kaegi und Wetzel, von Steffen Popp und vielen anderen.
Was wir auch sehr fördern ist eine relativ frühe Auseinandersetzung mit der nicht-universitären, künstlerischen Außenwelt; dafür wir haben gute Kontakte. So bin ich zum Beispiel in der Jury des Plateaux-Wettbewerbs am Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt und es gibt eben auch sehr viele Kontakte nach Hildesheim, nach Hamburg, nach Berlin, nach Zürich; es gibt immer wieder Veranstalter, die nach interessanten studentischen Produktionen fragen.

Und die tatsächlich auch Produktionen einladen?

Ständig, wirklich sehr viel. Gestern sprach ich mit einem Studenten, der im Rahmen meines szenischen Projektes letztes Jahr eine Performance gemacht hatte und damit jetzt auf dem Festival “hope & glory” in Zürich eingeladen war, andere bei “reich & berühmt”. Das ist im Studium schon ein hoher Anteil an Arbeiten, die sich über Giessen weit hinaus realisieren können und auch behaupten müssen.
Um noch mal die Möglichkeiten aufzuzählen, die man hier hat: es gibt pro Jahr vier Gastprofessoren, oft internationalen Künstler, die ganz neue Ansätze bringen. Jetzt im Wintersemester [WS 03/ 04, Anm. d. Verf.] kommt z. B. mit Nikolaus Hirsch ein junger renommierter Architekt und mit Xavier Le Roy ein französischer Choreograph; Jerome Bel war hier, Marina Abramovich und auch z.B. Rene Pollesch oder Michel.
Regisseure; es kommen Schauspieler und Regisseure - wie im WS 2005 Josef Bierbichlersind - und machen szenische Projekte. Auch theoretische Ergänzungen dessen, was wir selbst nicht anbieten. So hat Diedrich Diedrichsen hier poptheoretische Seminare angeboten, Reinhold Grether medienwissenschaftliche. So gibt es immer wieder neue Impulse.

In der Studieninfo wird das breite theaterästhetische Spektrum erwähnt, von dem Sie auch gerade sprechen. Ist es tatsächlich so, wenn Jerome Bel oder Marina Abramovich kommt, dass sie szenische Projekte anbieten, die ihrer Theaterästhetik entsprechen. Sich dann also ausschließlich auf bspw. Tanztheater oder Performance beziehen?

...und einen völlig anderen, sehr monolithischen Standpunkt einnehmen. Das ist so. Da reden wir auch in der Regel nicht rein. Sie müssen nicht irgendeine Grundausbildung anbieten, sondern arbeiten mit den Studenten daran, womit sie glauben, die künstlerische Eigenleistung am ehesten provozieren und anleiten zu können.
Marina Abramovich hat ein wunderbares szenisches Projekt gemacht, aus dem heraus ganz vielen, 15- 20 performative Eigenleistungen der Studierenden mit ihren Körpern entstanden sind. Das ist ja ein Konzept, wofür Abramovich sehr stark einsteht und die entstandenen Arbeiten waren sehr intensive, sehr stark, die wir auch wiederum noch mehrmals zu anderen Anlässen gezeigt haben.

Was ich persönlich feststelle ist, dass der Seminarbetrieb etwas unter dem Umfang praktischer Arbeiten leidet.

Komischerweise empfinde ich das nicht und erlebe die Praxis auch nicht wirklich als Widerspruch zur theoretischen Arbeit. Die Studierenden - das ist jetzt ein sehr interner Blick ,- die auch szenisch die spannenden Entwürfe entwicklen und bei denen das Nachdenken über das jeweilige Medium auch Teil der Performance ist, das sind meistens nicht die, die sich dem Theoretischen zu entziehen versuchen, sondern im Gegenteil oft auch die theoretisch ambitionierten und klugen Studierenden. Das ist wirklich auffallend. Man könnte umgekehrt eher vermuten, es gäbe die Theoretiker auf der einen und die Praktiker auf der anderen Seite; die einen versenken sich in die Seminare und die anderen spielen sich ihren Wolf. Das ist aber überhaupt nicht so. Man kann wirklich beobachten und auch institutshistorisch noch mal aufschlüsseln, dass gerade die künstlerisch produktiven Studierenden, Leute wie Kaegi oder Wetzel und andere, durchaus Studierende sind, die auch in Seminaren ganz vorne an der Materie sind. Wenn es gelingt, auch die Seminare an die künstlerische Praxis anzubinden, was ich versuche, dann muss das ja kein Widerspruch sein. Vielleicht ist das wichtig: ich versuche in der täglichen Praxis, im Seminar wie auch im szenischen Projekt, immer das jeweils andere anwesend sein zu lassen: Theorie, Reflexion und Praxis. Wer im Seminar einen Gedanken und theoretische Perspektiven entwickelt, sollte versuchen, dafür auch eine Anschauung zu finden. Dann schauen wir uns ein Bild von Andreas Gursky an oder hören ein Stück von Helmut Lachenmann. D. h. man versucht selbst im Seminar, diese Verbindung herzustellen. Mir scheint das Problem gerade in der künstlichen Trennung zu liegen; deswegen verstehe ich auch unter meiner Arbeit die offensive Verbindung von Beidem.

Ein Student sagte mir, dass sehr viele “freie” Arbeiten während des Semesters entstehen, wie auch Sie sagten, dass es sehr regelmäßig Aufführungen gibt und anschließende Kritikgespräche. Nehmen die Arbeiten auf den Studienbetrieb Bezug? Gibt es eine Verknüpfung?

Es gibt manchmal direkte Verknüpfungen; dass z. B. im Seminar jemand ein Referat annimmt, dann aber statt eines Referats plötzlich mit einem Film ankommt oder sagt: “Kommt doch mal auf die Probebühne, ich hab’ da was aufgebaut.”. Solche Punkte gibt es nicht oft, aber sie gibt es. Manchmal auch in den anderen Fächern, wenn in Slawistik z. B. die Studenten dann in einem Seminar über russischen Futurismus statt eines Referats eine Performance auf dem Campus mit Traktor und Lenin-double anbieten, sehr zum Wohle der Slawisten.

Und die rümpfen nicht die Nase?

Nein im Gegenteil. Die finden das ganz wunderbar, sehr anregend. Weil es ja auch kluge Konstruktionen sind und nicht billige Sketche, lohnen sie sich für den Lehrbetrieb. Das ist die eine Möglichkeit. Die andere Möglichkeit besteht darin, vielleicht ein, zwei Semester nach einem Seminar eine bestimmte künstlerische Arbeit zu entwickeln, die vom Inhalt des Seminars zwar Anregungen bekommen hat, ohne noch direkt involviert zu sein.

Also eine Inspiration?

Ja.. Umgekehrt gibt es auch bei den szenischen Projekten immer wieder theoretische Anteile. Entweder in der Vorbereitung oder in der Aufführung selbst - wenn das ganze zur lecture-performance wird.
Das Problem besteht eher umgekehrt darin, theoretische Erfahrungen zu schnell in künstlerische kurz zu schliessen. Das funktioniert ja nicht. Dem muss man eher vorbauen und einen Widerstand dagegen formulieren.

Sie sagten bereits im Vorwege, dass es die Möglichkeit gibt, dass Sie oder Kollegen sich die Arbeiten der Studierenden während der Proben anschauen und Kritik leisten. Es gibt also auch hier eine enge Verbindung zum Institut und nicht nur bei den szenischen Projekten?

Es kommt sehr oft vor, wenn die Studierenden eigene Stücke machen, daß wir auch auf die Probe kommen, nicht nur, wenn es ein Problem gibt.

Werden solche Arbeiten auch bewertet?

Nein. Bewußt nicht.

Und als Diplomarbeit?

Doch, das habe ich jetzt eingeführt. Es gibt jetzt Diplominszenierungen als Möglichkeit statt Diplomarbeit. Es gibt jetzt die ersten Resultate. Zunächst sind Hörspiele, also akustische Inszenierungen. Eines können sie hören, “Arsenal der Minotauren” von Steffen Popp. Er hat sowohl das Libretto erarbeitet, die Musik komponiert, die Aufnahmen gemacht, es montiert und abgemischt - und damit die künstlerisch-praktischen Anforderungen über-erfüllt. Das wird sicher in der Zukunft häufiger vorkommen, dass es Diplominszenierungen statt Diplomarbeiten gibt. Fürs Wintersemester ist eine Diplom-Performance geplant, im nächsten Frühjahr [SS 2004] auch eine Inszenierung am Stadttheater.

Die Gespräche zu den Aufführungen: in welchem Rahmen finden die statt? Ist das ein offener Rahmen?

Das machen wir ganz informell. Meistens sogar im Flur, unserer sogenannten "Wilsonstraße". Da kommen dann 20, 30, 40 Studenten und ein paar Lehrende; das ist vor allem für die Studierenden eine Möglichkeit ihren Kommilitonen zu sagen, was sie gut fanden, was sie kritisieren; wir moderieren das, geben Anregungen.

Ich sehe es als schwierig an, ein Forum zu haben, indem es einen Austausch gibt, der ehrlich ist, aber auch objektiv bleibt, ohne Konkurrenzen. Wie funktioniert das bei Ihnen?

Die Kritikgespräche und Aufführungsgespräche haben eine lange Tradition. Ich glaube, es ist allen Beteiligten inzwischen gelungen, diese Art von Offenheit möglich zu machen, die trotzdem nicht verletzend sein muss. das wäre die Schwelle, die wir nicht überschreiten wollen.
Ich versuche die älteren Studierenden - die vielleicht manchmal die Nase rümpfen über bestimmte ästhetische Sackgassen, in die die Jüngeren reinlaufen - immer darauf aufmerksam zu machen, daß sie hierbei auch eine pädagogische Funktion haben. "Wenn ihr etwas wisst, was andere noch nicht wissen, müsst ihr es auch vermitteln". Es hilft nichts, dann arrogant die kalte Schulter zu zeigen oder zu dem Kritikgespräch nicht zu gehen, weil man die Aufführung schlecht fand; man muss bewußt hingehen und genau zu erklären versuchen, warum man daran nicht mehr glaubt. Das muß man sich erarbeiten, aber das geht mittlerweile eigentlich ganz gut. Ich bin über die Gespräche, die wir führen, sehr froh.
Das hilft auch für den Kontakt unter den Studierenden. Der ist ohnehin bei uns sehr eng, weil wir ein sehr kleines Institut sind und ständig Festivals und Selbstorganisationen von Partys stattfinden. Es gibt auch jedes Jahr eine Weihnachtsperformance. Letztes Jahr fand zusätzlich noch ein “ATWentskalender” statt, für den Studierende 24 Mal vor Weihnachten in Giessen an 24 Stationen in der Stadt kleine künstlerische Aktionen gestartet haben. Das waren also letztes Jahr praktisch drei Festivals. So was bringt natürlich auch die Studierenden sehr eng zusammen und ist sehr wertvoll.

Es gibt bei Ihnen die Unterscheidung zwischen praktischen Kursen und szenischen Projekten. Und die praktischen Kurse versteht man eher als grundlegend?

Genau, die praktischen Kurse haben eine eher auf das Handwerkliche gezielte Stoßrichtung, z. B. fotografieren oder Fotos entwickeln oder auch körperliche Übungen: Stimmbildung, Aikido, je nach dem; oder eben die Einführungen in das Tonstudio, damit man mit dem Harddisk-Recordingsystem umgehen kann, oder um am Videoschnittplatz bestimmte Techniken zu vermitteln. Das sind die Lehraufträge für die praktischen Kurse. Die szenische Projekte versuchen das in eine eigene künstlerische Arbeit umzusetzen. Man wird in der Regel nicht von einem Gastprofessor 'inszeniert', der damit sein Stück realisieren will. Auch bei Pollesch war das nicht die Hauptstoßrichtung. [Bei der Theatermaschine 2003 war eine Inszenierung Polleschs von “Insourcing des Zuhause” mit Studierenden zu sehen, die in einem szen. Projekt im WS 02/03 entstanden ist, Anm. d. Verf.] Er hat von den Studierenden in einer Schreibwerkstatt viele Texte schreiben lassen. In der Regel ist es die Anleitung eigener künstlerischer Arbeiten durch die Gastprofessoren.

Es ist also mehr ein Input von außen, von den Lehrenden?

Und eine Anleitung, eine Begleitung, Betreuung. Aber das Interesse, der Schwerpunkt liegt eher darauf, daß der Studierende selbst ein künstlerisches Resultat hat, für das er/sie verantwortlich ist.

Gibt es Aufführungen? Gibt es eine Art Werkschau?

Es gibt die THEATERMASCHINE, das Festival der Studierenden, das im wesentlichen eine Werkschau ist - davor finden die Aufführungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten statt. Auch jedem szenischen Projekt gibt es fast immer eine Aufführung. Wir regen das an, überlassen die Entscheidung aber dem Gastprofessor.

Man arbeitet also schon immer in Hinblick auf ein Produkt?

Nein, das nicht. Aber der Prozess wird dennoch am Schluss meistens vorgestellt, was man gemacht , woran man gearbeitet hat. Es wird nicht als Produkt behandelt. Das sollte auch nicht so sein - der Prozess ist in der Lehre immer wichtiger.

Gibt es aufbauende praktische Kurse über mehrere Semester, um die Möglichkeit zu schaffen sich in bestimmten Bereichen zunehmend zu professionalisieren?

Das gibt es. Als Beispiel: es gibt Anfängerkurse im Tonstudio und Fortgeschrittenenkurse im Tonstudio. Am Videoschnittplatz gibt es das auch. Dann folgt ein szenishces Projekt zu Hörspielen oder Dokumentarfilmen usw.

Aufgrund der Größe des Studiengangs gehe ich aber davon aus, dass sich die verschiedenen Semester in den Kursen mischen. Oder gibt es Kurse nur für höhere Semester und Anfängerkurse, die dann die Erstsemester besuchen?

In der Regel versuchen wir es zu vermeiden. Aber das gibt es bei großem Bedarf bei bestimmten engen Stellen, z. B. auch Tonstudio manchmal.
Auch die Studenten selbst können nur eigene Projekte machen, wenn sie auch vorher an einem Probebühnentutorium teilgenommen haben. Damit sie wissen, wie man die Stecker nicht in die falschen Steckdosen steckt.
Wenn ich zwei szenische Projekte in einem Semester mache, kann es sein, dass das zweite eher etwas für eine kleine Gruppe ist. Ich habe in den letzten Jahren versucht, die Kontakte nach außen auszubauen, um die Studierenden auch zu zwingen, ihre Arbeiten zu vermitteln; sich also nicht in einem kleinen Kreis festzubeißen, sondern die Chancen zu haben, nach außen, mit anderen Leuten zu kooperieren, und dadurch aber auch gezwungen zu sein, was man erreichen möchte anderen Darstellern oder Musikern zu vermitteln. Daher machen wir eigentlich mindestens einmal im Jahr ein Projekt mit Studierenden einer anderen Hochschule zusammen.
Z. B. mit dem Medienlabor fabrica aus treviso habe ich ein Projekt in Norditalien gemacht. Sieben Stipendiaten dieses Instituts und sieben Studierende von uns kamen zusammen, haben zusammen gearbeitet und dann in Italien, Giessen und London aufgeführt. Letztes Jahr habe ich mit Studierenden aus Brüssel und Nordfrankreich und auch wiederum sieben Sudierenden des Instituts Installationen entwerfen lassen für die Kulturhauptstadt Brügge. Klanginstallationen, die dann zwei Monate im öffentlichen Raum in Brüffe zu hören und zu sehen waren. Das kann man nicht mit 20, 30 Studenten machen. Zurzeit mache ich gerade ein Projekt zusammen mit Bühnenbildstudenten der Bühnenbildklasse in Wien von der Akademie der bildenden Künste, bei dem unsere Studierenden mit denen zusammen Projekte entwickeln. Das gibt es, seitdem ich hier bin. Das kann ich aber dann nicht offen anbieten, das muss auf, wie gesagt, sechs bis acht Studenten beschränkt werden.

Und wie treffen Sie eine Auswahl?

Ganz unterschiedlich. Erst mal trifft sich die Auswahl selbst durch die Interessenten oder das, was sich die Studierenden selbst zutrauen. Wenn sie merken, da muss ich mit einem Bühnenbildner zusammen arbeiten, kommt es auch vor, daß sie sagen "das traue ich mir noch nicht zu". Dann gibt es einen Anmeldeschluss in manchen Fällen. Manchmal gibt es aber auch eher den Versuch, dass man erst mal einen Entwurf machen läßt und man wählt aus den Entwürfen aus. Es gibt unterschiedliche Verfahren - wurde aber bisher nie zum Problem.

Bei uns werden Übungen meistens von studentischen Hilfskräften unter Beobachtung von Dozenten angeleitet. Passiert das in Giessen auch so?

Das machen wir nur dann, wenn es sich bei den Studierenden tatsächlich um Profis handelt. Z. B. derjenige, der bei uns die Videokurse gibt, ist professioneller Cutter, obwohl er hier noch studiert hat. Er hat da einen professionellen Zugang und deswegen konnten wir ihm das auch anvertrauen. Im Tonstudio ist das auch so. Gerade die Vermittlung von Medienkompetenz ist an eine seriöse Professionalität gebunden.

Nochmals zu den Kontakten und dass die Gruppen die Möglichkeit haben auf verschiedenen Festivals zu spielen. Wie genau kommt das zustande? Besteht da tatsächlich das Interesse von den verschiedenen Spielstätten?

Das kommt von den Spielstätten selbst. Wenn jetzt Mathias Lilienthal anfragt oder das Künstlerhaus Mousonturm oder Kampnagel. Aber das ist nicht die Mehrzahl. Das kommt natürlich durch Kontakte, die wir haben. Es kommen immer wieder Leute von anderen Spielstätten zu uns, zu den Festivals, um sich Produktionen anzuschauen und sie später einzuladen. Außerdem sind die Studierenden selbst sehr aktiv sind und bewerben sich bei Ausschreibungen, Wettbewerben. Zwei haben auch vor zwei Jahren den gut asugestatteten Nordrhein-Westfälischen Hörspielpreis gewonnen.

Zum Stichwort Hörspiel. Gibt es eine Linie, die sich aus dem Studiengang entwickelt oder die vorgeschrieben ist oder ist jeder Student relativ frei, wo er seine Schwerpunkte legt?

Da ist er frei. Es gibt Studierende, die setzen ihre Schwerpunkte im Laufe des Studiums mehr beim Film, weil wir auch filmwissenschaftliche Seminare anbieten. Es gibt andere, die bleiben sehr beim Theater. Es gibt dritte, die gehen sehr zur Musik oder zum Tanz. Das stellen wir ihnen absolut frei und das ist, glaube ich, gerade die Qualität des Studiengangs, dass der Studierende selbst im Laufe seines Studiums seine Schwerpunkte setzen kann.

Es ist mir aufgefallen, dass ich im Zusammenhang mit dem Giessener Studiengang oft von Hörspielen höre. Wahrscheinlich hat sich das auch entwickelt, oder?

Das hat sich entwickelt seit ich hier bin natürlich. Weil ich das Tonstudio eingerichtet habe, das es vorher nicht gab. Auch das Video-Schnittstudio gab es vorher so nicht, aber das Tonstudio ist auch ein sehr gutes reduziertes Terrain, eine Art akustische Bühne, auf der man etwas platzieren und ausprobieren kann. Und ich habe ja selber in meiner eigenen Biografie zunächst erst Hörspiele gemacht, bevor ich mich an die Inszenierung szenischer Konzerte, später an Theaterstücke oder noch später an Musiktheaterstücke oder Opern traute.
Man muss nicht immer alles gleichzeitig lernen können. Es ist gut, erst einmal ein eng umrissenes Terrain zu haben, in den man sich profilieren kann und etwas lernen kann; das kann man langsam ausbauen.

Zur Infrastruktur: Wie sind die verschiedenen Studios oder Bühnen betreut?
Gibt es Zuständige?

Ja. Es gibt für die Probebühne im Grunde drei Technik-Hiwis, die eigentlich den Probebühnenbetrieb immer wieder betreuen - mit Tutorien - aber auch indem sie wieder aufräumen, warten, reparieren und all das. Es gibt ebenso jeweils einen Hiwi für das Tonstudio und fürs Videostudio.
Wir haben uns lange überlegt: stellen wir jetzt jemanden ein, der alles kann und der von morgens um acht bis nachmittags um vier Uhr Dienst macht und das ist es dann. Das wäre natürlich die klassische Lösung. Ich habe mich sehr schnell dagegen entschieden. Erstens gibt es inzwischen kaum noch jemanden, der so komplexes Wissen in sich vereinen kann, dass er sich in einem Avid- Schnittprogramm genau so auskennt, wie bei einem Profilscheinwerfer auf der Probebühne und auch noch mit einem Max-Programm umgehen kann, mit dem man Software herstellt, um eine Klanginstallation aufzubauen. Dazu ist inzwischen diese Welt einfach zu komplex. Das gibt es nicht mehr. Deswegen haben wir uns entschieden, das aufzuteilen und an junge, flexible Kräfte zu vergeben, die jeweils auf dem neuesten Stand sind.

Interview geführt von Thorsten vom Felde im Rahmen des Forschungsprojekts "Theater studieren" des Instituts für Medien- und Theaterwissenschaft der Universität Hildesheim.