31 August 2021, Gregor Dotzauer, Der Tagesspiegel
Review (de)

Ruft ein Lied nach allen Dingen

Stimmen, die Gesellschaft suchen: „A House of Call“ von Heiner Goebbels mit dem Ensemble Modern Orchestra in der Philharmonie.

"Ein Anfang, der keiner ist. Ein Dirigent, rechts außen neben dem seitwärts aufgebauten Orchester, der schon zu dirigieren beginnt, während die Musikerinnen und Musiker noch im Saallicht auf die Bühne schleichen. Wachsende Unruhe in Begleitungs eines Orgel-Loops. Atomistisches und Aktionistisches, das die Instrumentengruppen quert. Und dann, nach einigen Minuten, ein krachend niederfahrender Blitzschlag. Das Licht erlischt. Und in der Nacht öffnet sich der eigentliche Raum dieser Komposition, zeitlich auf knapp zwei Stunden begrenzt, in seinen Bezügen aber ins Unendliche ausfasernd." "Dokumente aus seinem akustischen Notizbuch, die keine Summe ergeben, in der Addition aber jenes offene Netz von Bedeutungen bilden, in dem sich jeder mit der Kontingenz der eigenen Erfahrungen einzurichten hat." "Schläft ein Lied in allen Dingen: Diese romantische Eichendorff-Zeile, die Goebbels schon bei seinem Theaterabend „Stifters Dinge“ ausdeutete, erklingt in „A House of Call“ noch einmal aus dem Mund seiner greisen Mutter Margret. Anregender und beunruhigender ist sie lange nicht lebendig geworden."

on: A House of Call (Composition for Orchestra)