25 October 2000, Süddeutsche Zeitung
Review (de)

Untitled

[...] Der magische Soundpoet Heiner Goebbels hat mit "Hashirigaki" sein erstes Musical komponiert [...] Superschönes Grün mit superschön gekritzelten Lichtprojektionen, superschöne Frauen in superschönen Kostümen, die ständig gegen ebenso superschöne ausgetauscht werden: Reifröcke, Verpuppungshüllen und glitzergraue Overalls für Astronautinnen, das kommt noch in Mode, bestimmt. Dieses Angriffs auf die Augen kann sich nur erwehren, wer die Augen zumacht. Und da ist sie dann plötzlich wieder, die vertraute Hashirigaki-Tonspur, wegen der man zu Goebbels' Aufführungen pilgert: Glockentöne, Gesang, elektronisches Vogelgezwitscher, von fern ein paar japanische Klänge, der Schrei einer Frau. Die Soundmaschine wird abgewürgt, eine Frau kippt um, die nächste Frau steht schon bereit. Charlotte Engelkes, Marie Goyette und Yumiko Tanaka bleiben dabei seltsam isoliert, nicht wirklich ein Trio, eher die drei von der Punkstelle, jede für sich, sehr geschmackvoll und sehr unnahbar... Plötzlich nämlich wird der abend leicht und hebt ab. Großstadtzitate aus Pappe zieren die Bühne: Wolkenkratzer, eine Kathedrale, eine Fabrik. Eine Papp-Bus-Silhouette wird quer über die Bühne getragen, und wenn man jetzt ganz genau hinsieht, kann man sehen, daß Frauen aus den Fenstern schauen - in einer Sekunde, da man noch nichts von ihnen weiß. "Come close, close your eyes and be still. Don't talk, take my hand, and listen to my heart... beat... Listen. Listen. Listen." Das sind nocheinmal die Beach Boys. Sie haben über "Hashirigaki" alles gesagt.

on: Hashirigaki (Music Theatre)