Nr.20/2008, Esther Boldt, Journal Frankfurt
Review (de)

I Went To The House But Did Not Enter

Heiner Goebbels zeigt ein vergnügliches Hohelied des Scheiterns.

"Das ist mein bisher stillstes, fragilstes Stück", erzählt Heiner Goebbels und ist sichtlich erleichtert darüber, dass die Premiere seines neuen Stücks dennoch – oder gerade deswegen – gut über die Bühne ging. "I went to the house but did not enter" trägt sein retardierendes Moment schon im Titel, hierbei hat Goebbels erstmals mit dem grandiosen Vokalquartett Hilliard Ensemble zusammengearbeitet. Es hatte jüngst beim Theaterfestival in Edinburgh Uraufführung, nun kommt es in Frankfurt zur Deutschlandpremiere. Der Guardian befand es für "extrem atmosphärisch", für "direkter und introspektiver als alle Stücke zuvor". Nach der poetischen Musikmaschine "Stifters Dinge", die auf menschliche Darsteller komplett verzichtete und in der mechanische Klaviere die Hauptrollen spielten, hat sich Goebbels’ Drang nach Reduktion noch einmal verstärkt: "Bei ,Stifters Dinge‘ habe ich gelernt, dass man kaum gleichzeitig hören und se hen kann, wenn man ein entdeckendes Hören und Sehen meint, kein konsumierendes; das hat mir für die Arbeit mit dem Hilliard Ensemble sehr geholfen." In "I went to the house" stehen die Sänger erstmals auch als Darsteller auf der Bühne, für Goebbels selbst allerdings schon Routine – etwa das Ensemble Modern hat er mehr als einmal inszeniert. Dabei hat er die Entdeckung gemacht, "wie dramatisch das Musizieren selbst schon ist". Eigentlich war das Hilliard Ensemble mit einem Kompositionsauftrag an ihn herangetreten, dass daraus ein Stück wurde, war für alle Beteiligten nicht absehbar. Ihre besondere Präsenz hat den Theatermacher sehr fasziniert: "Eine verhaltene, zurückgezogene Präsenz, die durch die Intensität eines verblüffend gemeinsamen Tons entsteht." Textlich wird, auch das ist ein Novum, diesmal nicht montiert: "Der Abend besteht im Grunde aus drei Einaktern – jeweils nach einem großen Text des 20. Jahrhunderts: ein Liebeslied von T.S. Eliot, das nicht so richtig gelingen will, eine Geschichte von Maurice Blanchot über den Wahnsinn des Tages, aus der keiner so richtig schlau wird, und einer der letzten Texte von Beckett mit dem Titel: ,Aufs Schlimmste zu‘! Sie sehen, der Abend handelt nur vom Scheitern – aber auf nicht nur vergnügliche, sondern auch ästhetisch höchst anregende Weise." Auf der Türschwelle trifft das Hilliard Ensemble auf große Texte.

on: Songs of Wars I have seen (Music Theatre)