21 September 2014, Hans-Christoph Zimmermann, taz
Review (de)

Kinetische Unschärfen

Aus einer Komposition Heiner Goebbels’ macht die Choreographin Mathilde Monnier in Duisburg ein Stück für Laien: „Surrogate Cities Ruhr“.

[...] Goebbels’ Soundkosmos lebt aus seiner musikalischen Kontrastierung, aus gestenreich-perkussiven Gewittern, bis ins Geräusch getriebenen Klängen und sentimentalischen Inseln wie einem gershwinnahen Klaviersolo. Und er lebt von der Ungleichzeitigkeit seiner klanglichen Schichten und erinnert gelegentlich an ein Readymade. Etwa wenn Goebbels' in der Suite gesampeltes Material wie die Gesänge jüdischer Kantoren der 1920er und 1930er Jahre einspielt, zu der Monnier junge Paare auf großen Papierbögen ihre Körperumrisse einzeichnen lässt. Die Bögen werden schließlich zusammengerollt und zu Säulen aufgestellt. Man denkt an Thorarollen, an antike und moderne Tempel, an die Rolle der Schrift in der jüdischen Religion. [...] [...] Goebbels’ urbanistischer Soundtrack zielt zwar auf keine bestimmte Stadt, ist nicht als Porträt gemeint, doch in der Wucht kann man auch die brutalistische stadtbauliche Zurichtung Frankfurts nach 1945 mithören. In dem Zusammenstoß der gehärteten Klänge mit dem laienhaften Bewegungsrepertoire liegt letztlich aber auch ein Moment des Versöhnenden. [...]

http://www.taz.de/Tanztheater-bei-der-Ruhrtriennale/!146358/
on: Surrogate Cities (Composition for Orchestra)