17 September 2004, dpa, Hamburger Morgenpost
Review (de)

"Eraritjaritjaka": Begeisterung bei Deutschland-Premiere

Frankfurt/Main - Mit der Deutschland-Premiere seines Stückes "Eraritjaritjaka" hat der Frankfurter Komponist und Regisseur Heiner Goebbels am Donnerstagabend im Frankfurter Schauspiel das Publikum begeistert. In seinem als "Verwirrspiel der Wahrheiten" angekündigten Werk lässt Goebbels Kammermusik, Theater und Live-Video-Szenen fließend ineinander übergehen. Wichtigste Textquelle des in französischer Sprache aufgeführten Stückes mit dem Schauspieler André Wilms sind Aufzeichnungen des Schriftstellers Elias Canetti. Musikalisch setzt der als Wegbereiter der neuen Musik geltende Goebbels neben eigenen Kompositionen auf Bach, Ravel und Schostakowitsch. Die Wanderung der Gattungen beginnt mit dem holländischen Mondriaan Quartett auf der undekorierten Bühne. Die Stimmung eines Kammermusik-Abends wandelt sich, als Wilms auf die Bühne tritt und die Streicher von ihrer eigenen Tonbandaufnahme abgelöst werden. Die Musik geht in ohrenbetäubenden Lärm wie den eines Flugzeugtriebwerkes über. Wilms nimmt einen tierähnlichen Roboter ins Visier, lässt sich aus über die Macht der Dirigenten. Dann verschwindet er, gefolgt von einer Live-Kamera, fährt damit im Taxi, geht in sein Haus - das Publikum ist dabei. Goebbels steigert die Verwirrung, als er Wilms doppelt zurück auf die Bühne holt: Gefilmt in seiner Wohnung, und leibhaftig durch das Fenster des Kulissenhauses. "Eraritjaritjaka" ist der letzte Teil einer Trilogie und wurde im April in Lausanne uraufgeführt. Der ungewöhnliche Titel stammt aus der Sprache der Aborigines und bedeutet so viel wie "voller Verlangen nach etwas, was verloren gegangen ist". Nach den Worten der Intendantin des Schauspiels, Elisabeth Schweeger, spiegelt sich der Titel in dem Stück unter anderem durch eine Sehnsucht nach einer klareren Sicht auf die Welt wider. Die Komplexität des Stückes sei eine Aufforderung an den Zuschauer, sich in einer vielschichtiger werdenden Welt auch auf der Bühne mit dem Komplexeren zu arrangieren. Heiner Goebbels künstlerische Form des Musiktheaters sei als ein Gesamtkunstwerk zu begreifen. Der vielfach preisgekrönte Komponist und Regisseur Goebbels hat sich seit den 80er Jahren besonders mit szenischen Konzerten, Musiktheater und Installationen einen Namen gemacht. Der 52-Jährige komponiert für Konzerte, Ballett, für Oper und Theater sowie für Film- und Videoproduktionen. Orchestermusik trifft dabei teils auf Autohupen und Schlagerfetzen. Goebbels lebt seit 1972 in Frankfurt, ab 1978 war er zwei Jahre lang musikalischer Leiter am Frankfurter Schauspiel. Seit 1999 lehrt er an der Universität Gießen Theaterpraxis. dpa

on: Eraritjaritjaka (Music Theatre)