Junge Vocalistinnen überzeugen mit honigsüßem Lächeln

Abschluss der "Kunst-
FestSpiele Herrenhausen" - und da durfte
es noch einmal etwas Besonderes sein. An
zwei Abenden gastierte in der Orangerie
das "Vocal Theatre Carmina Slovenica" mit
rund 40 Mädchen und jungen Frauen im Alter
zwischen 11 und 20 Jahren. "When the
mountain changed its clothing" heißt das
Stück von Heiner Goebbels, der auch Regie
geführt hat.
Der Titel stammt aus einem slowenischen
Volkslied und verweist auf Veränderung.
Die Natur wandelt sich, die Gesellschaft,
der Mensch - all diese Themen spielten,
manchmal eher durch die Hintertür angerissen,
eine Rolle. Texte von Jean-Jacques
Rousseau, Gertrude Stein oder Alain Robbe-
Grillet erklangen, die Musik umspannte
eine Bandbreite von Brahms und traditionellen
Titeln über Schönberg bis hin zu
Kompositionen von Goebbels selbst. Kleine
Spielszenen und choreographische Elemente
rundeten die Inszenierung ab.
Also ein höchst anspruchsvolles Programm,
das die Truppe mit viel Disziplin
anging. Die Aufführung fand eine wunderbare
Balance zwischen Energie und Ernst,
ins Putzige driftete sie glücklicherweise nie
ab. Auch komplexe Themen wie Geld, Älterwerden,
Tod oder die Atombombe wurden
mit großer Selbstverständlichkeit verhandelt,
ohne dass über alledem der Spaß
gänzlich auf der Strecke geblieben wäre.
An bizarren Momenten hatte es keinen Mangel,
wenn etwa das gesamte Ensemble plötzlich
in Reih und Glied minutenlang schweigend
am Bühnenrand saß, ein honigsüßes
Lächeln in den Gesichtern, das indes von
Sekunde zu Sekunde mehr verrutschte.
Was den Gesang anbelangt, könnte sich
manch altgedienter Profi von dieser Intonationssicherheit
eine Scheibe abschneiden.
Die jungen Damen meisterten auch die vertracktesten
harmonischen oder rhythmischen
Klippen souverän, und die osteuropäische
Tradition machte sich eindrucksvoll
bemerkbar: Diese ansatzlose Wucht, die Fähigkeit,
quasi aus dem Nichts die volle Dynamik
zu schöpfen, ist ebenso ein Phänomen
wie das hypersensible Gespür für Modulation
- gegen Schluss lag sogar noch ein
bisschen Obertongesang drin. Da hat die
Künstlerische Leiterin Karmina Å ilec
ganze Arbeit geleistet.
Ein großer Abend, kein perfekter. Dazu
war die Gesamtdramaturgie doch ein wenig
zu kopflastig und vor allem in der Anfangspassage
mit arg viel Stühleschieben etwas
diffus. Doch eine derart erwachsene Darbietung
einer blutjungen Truppe bekommt man
nur alle Jubeljahre mal geboten - um so
schöner zu erleben, wie herzlich sich die
Performerinnen, die durchaus schon den einen
oder anderen Kontinent bereist haben
und keineswegs neu im Geschäft sind, über
den animierten Beifall zu freuen schienen.

Jörg Worat
Cellesche Zeitung (DE), 27 June 2013