27 June 2013, Jörg Worat, Cellesche Zeitung
Review (de)

Junge Vocalistinnen überzeugen mit honigsüßem Lächeln

Abschluss der "Kunst- FestSpiele Herrenhausen" - und da durfte es noch einmal etwas Besonderes sein. An zwei Abenden gastierte in der Orangerie das "Vocal Theatre Carmina Slovenica" mit rund 40 Mädchen und jungen Frauen im Alter zwischen 11 und 20 Jahren. "When the mountain changed its clothing" heißt das Stück von Heiner Goebbels, der auch Regie geführt hat. Der Titel stammt aus einem slowenischen Volkslied und verweist auf Veränderung. Die Natur wandelt sich, die Gesellschaft, der Mensch - all diese Themen spielten, manchmal eher durch die Hintertür angerissen, eine Rolle. Texte von Jean-Jacques Rousseau, Gertrude Stein oder Alain Robbe- Grillet erklangen, die Musik umspannte eine Bandbreite von Brahms und traditionellen Titeln über Schönberg bis hin zu Kompositionen von Goebbels selbst. Kleine Spielszenen und choreographische Elemente rundeten die Inszenierung ab. Also ein höchst anspruchsvolles Programm, das die Truppe mit viel Disziplin anging. Die Aufführung fand eine wunderbare Balance zwischen Energie und Ernst, ins Putzige driftete sie glücklicherweise nie ab. Auch komplexe Themen wie Geld, Älterwerden, Tod oder die Atombombe wurden mit großer Selbstverständlichkeit verhandelt, ohne dass über alledem der Spaß gänzlich auf der Strecke geblieben wäre. An bizarren Momenten hatte es keinen Mangel, wenn etwa das gesamte Ensemble plötzlich in Reih und Glied minutenlang schweigend am Bühnenrand saß, ein honigsüßes Lächeln in den Gesichtern, das indes von Sekunde zu Sekunde mehr verrutschte. Was den Gesang anbelangt, könnte sich manch altgedienter Profi von dieser Intonationssicherheit eine Scheibe abschneiden. Die jungen Damen meisterten auch die vertracktesten harmonischen oder rhythmischen Klippen souverän, und die osteuropäische Tradition machte sich eindrucksvoll bemerkbar: Diese ansatzlose Wucht, die Fähigkeit, quasi aus dem Nichts die volle Dynamik zu schöpfen, ist ebenso ein Phänomen wie das hypersensible Gespür für Modulation - gegen Schluss lag sogar noch ein bisschen Obertongesang drin. Da hat die Künstlerische Leiterin Karmina Å ilec ganze Arbeit geleistet. Ein großer Abend, kein perfekter. Dazu war die Gesamtdramaturgie doch ein wenig zu kopflastig und vor allem in der Anfangspassage mit arg viel Stühleschieben etwas diffus. Doch eine derart erwachsene Darbietung einer blutjungen Truppe bekommt man nur alle Jubeljahre mal geboten - um so schöner zu erleben, wie herzlich sich die Performerinnen, die durchaus schon den einen oder anderen Kontinent bereist haben und keineswegs neu im Geschäft sind, über den animierten Beifall zu freuen schienen.

on: When the Mountain changed its clothing (Music Theatre)