Wie von Geisterhand gesteuert

In "Stifters Dinge" fesselt Heiner Goebbels durch eine imponierende Theatermaschinerie

"Ausgerechnet Adalbert
Stifter. Jener einsame österreichische Biedermeier-
Autor, der sich ohne Blick für die
gesellschaftlichen Verwerfungen der reaktionären
Metternich-Ära detaillierten Naturschilderungen
hingab. Ausgerechnet er inspirierte
Heiner Goebbels zu einer Produktion,
die das Musiktheater auf den Kopf
stellt.
Goebbels’ Glanzstück "Stifters Dinge" war
schon in Paris, New York und London zu
sehen. Die mit großem Beifall bedachte
Aufführung zur Ruhrtriennale in der gewaltigen
Duisburger Kraftzentrale schien
überfällig. Denn das vor sechs Jahren entwickelte
theatralische Klangspektakel
ohne Schauspieler, Sänger oder Musiker
spitzt die Ästhetik des Ruhrtriennale-Intendanten,
des Gießener Theater-Professors
und Komponisten radikal zu.
Zwei Dinge stehen im Zentrum dieses raffinierten
digitalen Gesamtkunstwerkes. Goebbels'
Waldweben ohne Wagner-Pathos visualisiert
mit einer imponierenden Theatermaschinerie
Stifters aus dem Off vorgetragene
"Eisgeschichte" aus der "Mappe meines Urgroßvaters".
Stifters Blick auf einen vereisten
Winterwald in der Dämmerung, dessen
schwer zu fassende Aura er "das Ding"
nennt, spiegelt das menschliche Erschrecken
angesichts einer unberechenbaren, bedrohlichen
Natur."

Bernd Aulich
Recklinghäuser Zeitung (DE), 24 September 2013